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Mastering the Circular Economy: Internationales Lehrprogramm an der Darmstadt Business School über die Kreislaufwirtschaft

Unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Dirk Wollenweber arbeiteten Studierende aus vier Hochschulen im Rahmen einer Veranstaltung im Masterstudiengang Betriebswirtschaftslehre am Projektmodul "Mastering the Circular Economy":  UNICAS (Italien), Kyungpook National University (Südkorea), UTM (Malaysia) und Hochschule Darmstadt (Deutschland). Gemeinsam lernten sie, wie Unternehmen nachhaltig wirtschaften und Kreislaufprinzipien profitabel umsetzen können. Ein Highlight: Die praxisnahe Simulation mit dem Planspiel "The Blue Connection".


Ein Interview dazu mit Herrn Prof. Dr. Wollenweber

♦ Welche Lernziele hatte Ihre Veranstaltung, welche Inhalte sollten vermittelt werden?

Prof. Wollenweber: Die Lernziele bestanden zum einen darin, die theoretischen Grundlagen und Konzepte der Kreislaufwirtschaft zu vermitteln. Dies umfasst auch die wesentlichen KPIs, die in diesem Bereich angewandt werden. Darüber wollten wir aufzeigen, wie die praktische Anwendung dieser Kreislaufstrategien in einem Unternehmen erfolgen kann. Dies geschah mithilfe eines Wirtschaftsplanspiels, das den Studierenden ermöglichte, die Auswirkungen ihrer eigenen Managemententscheidungen zu erkennen und daraus wertvolle Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie ein Unternehmen in der Kreislaufwirtschaft erfolgreich geführt werden kann. Darüber hinaus war es unser Ziel, mit unseren Studierenden die fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit in internationalen Teams zu üben.

♦ Wie würden Sie die Kreislaufwirtschaft in wenigen Worten definieren, und warum halten Sie dieses Konzept für so zentral im heutigen Wirtschaftssystem?

Prof. Wollenweber: In der Vorlesung haben wir Kreislaufwirtschaft – entsprechend der Definition des Europäischen Parlaments - als ein Modell der Produktion und des Verbrauchs beschrieben, bei dem Produkte und Materialien so lange wie möglich geteilt, geleast, repariert, aufgearbeitet oder wiederverwendet werden, um den Lebenszyklus der Produkte zu verlängern. Mit anderen Worten: Durch die Kreislaufwirtschaft sollen Abfälle auf ein Minimum gesenkt werden gleichzeitig den Verbrauch neuer natürlicher Ressourcen reduziert werden. Damit stellt die Kreislaufwirtschaft ein Gegenmodell zur traditionellen linearen Wirtschaft dar.

♦ Welche Rolle spielt das Planspiel „The Blue Connection“ in Ihrem Kurs, und wie trägt sie dazu bei, das Konzept der Kreislaufwirtschaft praktisch zu vermitteln?

Prof. Wollenweber: Das Planspiel stand im Mittelpunkt der Vorlesung. Die Studierenden managten in Vierer-Teams ein virtuelles Unternehmen, das E-Bikes herstellt. Jedes Team bestand aus den vier Rollen Design & Einkauf, Finanzen, Vertrieb und Supply Chain. Die Teams hatten die Aufgabe, gemeinsam verschiedene Kreislaufstrategien für das Unternehmen zu erproben, um dann eine geeignete Strategie auszuwählen und in den vier Funktionsbereichen umzusetzen. Ziel war es, für das anfangs defizitäre und linear organisierte Unternehmen ein profitables und gleichzeitig zirkuläres Geschäftsmodell zu entwickeln. Durch den Gamification Ansatz konnten die Studierende die Auswirkungen ihrer eigenen Eingaben erleben, über die Zusammenhänge reflektieren und mit jeder Spielrunde zu besseren Entscheidungen kommen.

♦ War das Planspiel computergestützt?

Prof. Wollenweber: Ja, „The Blue Connection“ ist ein webbasiertes Wirtschaftsplanspiel. Dadurch war es möglich, die Simulation in dem internationalen Format der Veranstaltung durchführen zu können. Teilgenommen haben Studierende verschiedener Studiengänge aus insgesamt vier Universitäten: UNICAS (Italien), Kyungpook National University (Südkorea), UTM (Malaysia) und der Hochschule Darmstadt (Deutschland).

♦ Wie kann der Transformationsprozess hin zur Kreislaufwirtschaft gestaltet werden?

Prof. Wollenweber: In der Vorlesung wurde darauf geachtet, zum einen ein überzeugendes Narrativ für den Transformationsprozess des Unternehmens hin zur Kreislaufwirtschaft zu entwickeln und zum anderen fundierte Zahlen, Daten und Fakten – also z.B. konkrete KPIs – zu berücksichtigen. Dabei legten wir besonderen Wert auf Indikatoren zur Messung des Kreislaufwirtschaftsgrads, wie etwa die „Circularity“ und den „Return on Material“. Gleichzeitig wurden auch etablierte, klassische
Kennzahlen zur ökonomischen Erfolgsmessung wie zum Beispiel der „Return on Investment“ des
Unternehmens herangezogen. Der zentrale Leitgedanke war, dass die Implementierung der Kreislaufwirtschaft für ein Unternehmen nur dann sinnvoll ist, wenn sie auch wirtschaftlich tragfähig ist. Daher sollten Geschäftsmodelle entwickelt werden, die sowohl profitabel als auch zirkulär sind.

♦ Wie kann die Integration von Kreislaufwirtschaftsstrategien in bestehende Geschäftsmodelle erfolgreich gestaltet werden, ohne dass es zu erheblichen Zielkonflikten kommt?

Prof. Wollenweber: Das ist eine gute Frage. In der Vorlesung haben wir uns an der sogenannten „R-Ladder“ orientiert, die insgesamt zehn Stufen bzw. Strategien der Kreislaufwirtschaft definiert – beginnend mit Refuse bis hin zu Remine. Im Planspiel lag der Fokus auf vier besonders relevanten Strategien für wirtschaftlich handelnde Unternehmen, die physische Produkte herstellen: Repair, Refurbishment, Remanufacturing und Recycling. Die Studierenden konnten diese Strategien anhand des virtuellen Fahrradherstellers erproben und versuchen, sie praktisch umzusetzen. Dabei ergaben sich immer wieder Zielkonflikte, bei denen die Studierenden zwischen ökonomischen und ökologischen Aspekten abwägen mussten. In den letzten beiden Spielrunden mussten sich die Teams schließlich für eine dieser Strategien entscheiden und das Unternehmen sowohl wirtschaftlich als auch in Richtung Kreislaufwirtschaft weiterentwickeln. In diesen Spielrunden entstand dann auch ein spannender Wettbewerb zwischen den Teams, und am Ende wurde ein Siegerteam gekürt.

♦ Ihr Kurs beinhaltet die Zusammenarbeit von Studierenden aus verschiedenen Universitäten weltweit. Welche Vorteile und Herausforderungen sehen Sie in dieser internationalen Perspektive

Prof. Wollenweber: Für unsere Studierenden stellte die Zusammenarbeit in internationalen Teams eine besondere Herausforderung dar, mit der wie sie auf das spätere Berufsleben vorbereiten wollen.
Zum einen gab es organisatorische Hürden, da die Teilnehmenden in den international gemischten Teams in unterschiedlichen Zeitzonen arbeiteten – eine Studierende der Hochschule Darmstadt befand sich während der Veranstaltung sogar in den USA, sodass die Teams „maximal“ verteilt waren. Die Koordination innerhalb der Gruppen, insbesondere für Meetings außerhalb der regulären Vorlesungszeiten, erforderte daher eine sorgfältige Abstimmung.
Zusätzlich gab es sprachliche Barrieren, da keiner der Teilnehmenden englischer Muttersprachler war. Darüber hinaus war eine intensive inhaltliche Auseinandersetzung erforderlich: Jede Person übernahm eine spezifische Rolle, und eine zentrale Herausforderung des Spiels bestand, wie in der realen Wirtschaft, darin, funktionsübergreifend zusammenzuarbeiten. Die Teams mussten sich zunächst auf eine übergeordnete Strategie einigen und dann ihre individuellen Managemententscheidungen in ihrem jeweiligen Funktionsbereich daran ausrichten.

♦ Welche Rolle spielt die interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit für die Umsetzung der Kreislaufwirtschaft

Prof. Wollenweber: Eine sehr große Rolle! Die Kreislaufwirtschaft kann nur mit einem transdisziplinären Ansatz erfolgreich umgesetzt werden. Unterschiedliche Kompetenzen und Qualifikationen müssen ineinandergreifen, weshalb ich es als wichtigen Bildungsauftrag für Hochschulen sehe, in verschiedenen Studiengängen Grundkenntnisse der Kreislaufwirtschaft zu vermitteln.
Gleichzeitig müssen spezialisierte Fachbereiche – wie Design, Einkauf, Produktion, Vertrieb, Supply Chain Management – gezielt auf die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft ausgerichtet werden. Dafür ist eine transdisziplinäre Zusammensetzung essenziell.
Zudem ist die Kreislaufwirtschaft im Kontext globaler Lieferketten ein internationales Thema. Da Lieferketten weltweit vernetzt sind, müssen auch geschlossene Kreisläufe auf globaler Ebene geplant und umgesetzt werden.

♦ Welche Branchen oder Technologien sehen Sie als Schlüsselfaktoren für die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft?

Prof. Wollenweber: Zum einen halte ich es wie gesagt für entscheidend, dass Bildungseinrichtungen das Thema Kreislaufwirtschaft studiengangübergreifend vermitteln. Letztlich sind alle Branchen, die physische Produkte herstellen, gefordert, die Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft aktiv zu gestalten. Der Grundstein dafür wird vor allem in der Designphase eines Produktes gelegt.
Ein zentraler Erfolgsfaktor für die Weiterentwicklung ist die Digitalisierung. Sie ermöglicht eine immer präzisere Identifizierung von Materialien und Nachverfolgung von Produktströmen. Beispielsweise
können zukünftig Verpackungen mit individuellen Identifizierungsnummern gekennzeichnet werden, sodass ihr Weg auf Ebene der einzelnen Verpackung verfolgt und gesteuert werden kann. Erst durch diese Transparenz wird es möglich, die betreffenden Kreisläufe effizient zu gestalten und nachhaltig zu schließen.

♦ Sind in Zukunft weitere Kurse und Veranstaltungen mit internationalen Teilnehmenden geplant?

Prof. Wollenweber: Ja, im Rahmen der Internationalisierungsstrategie der Hochschule möchten wir auch weiterhin studiengangübergreifende Kurse auf internationaler Ebene zu aktuellen Themen anbieten. Dabei streben wir auch an, das Thema Gamification weiter voranzutreiben und verstärkt zu nutzen, um theoretische Konzepte und Inhalte praxisnah zu vermitteln. Dieser Kurs war ein erster, erfolgreicher Schritt dazu, den wir in Zukunft auf jeden Fall fortsetzen wollen.